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Menschenrechte im Zeitalter der Überwachung



Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948 verkündet und besteht aus insgesamt 48 Artikel, in denen die Menschenrechte zu einem universellen und unveräußerlichem Recht für alle Menschen erklärt werden. 


Leider reicht die bloße Existenz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte nicht aus, um die unzähligen Menschenrechtsverletzungen zu stoppen, welche nach dem Jahr 1948 stattfanden. Derzeit gibt es aktivere Konflikte als je zu vor, denn der Klimawandel ist unumkehrbar. 


Das kapitalistische System hat den Ländern, die zu den sogenannten „sauberen Energien“ gehören, ausgerechnet im Namen dieser „sauberen Energie“ sowohl Boden als auch Wasser entzogen. 


Dies sind einige der Gründe, die Millionen von Menschen gezwungen haben, ihre Herkunftsländer zu verlassen. Millionen von Menschen, die der Möglichkeit beraubt wurden, ihre Menschenrechte als solche wahrzunehmen. Millionen von Menschen, die durch das Migrationssystem ihres Statutes als menschliches Wesen beraubt wurden.


Mehr den je stehen wir als Spezies vor einem Szenario, in dem die Menschheit nicht mehr in den Händen von Menschen liegt, sondern von digitalen Systemen gesteuert wird. Durch diese digitalen Systeme werden die Rechte von Millionen von Menschen auf der Welt unterdrückt, dabei sind insbesondere Menschen, die in anderen Ländern Zuflucht suchen, betroffen. Durch die Präsenz von digitalen Systemen in Bezug auf Menschenrechte, klingen viele der Artikel der Menschenrechtserklärung paradox. 


Artikel 1 

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie verfügen über Vernunft und Gewissen und sollten im Geiste der Brüderlichkeit miteinander umgehen. 


Artikel 2

Jeder hat das Recht, in anderen Ländern Asyl vor Verfolgung zu suchen und zu genießen. 


Artikel 22 

Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht aus soziale Sicherheit und hat den Anspruch darauf, durch nationale Anstrengung und internationale Zusammenarbeit, sowie im Einklang mit der Organisation und den Ressorucen jedes Staates die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu verwirklichen, die für die soziale Sicherheit und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit unerlässlich sind. 


Artikel 25 

  1. Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine Gesundheit und sein Wohlergehen und das seiner Familie  gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Unterkunft und medizinischer Versorgung, notwendiger sozialer Dienste, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle der Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Witwenschaft, Alter oder sonstigen Mangel an Lebensunterhalt aufgrund von Umständen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen.

  2. Mutterschaft und Kindheit haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Hilfe. Alle Kinder, ob ehelich oder unehelich, genießen den gleichen sozialen Schutz. 


Artikel 30 

Nichts in dieser Erklärung darf so interpretiert werden, dass es einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht beinhaltet, sich an einer Aktivität zu beteiligen oder eine Handlung vorzunehmen, die auf die Zerstörung der hierhin dargelegten Rechte und Freiheiten abzielt. 


Das Migrationssystem hat den Menschen, die zur Migration gezwungen sind, die Menschenrechte genommen. Doch es bleibt nicht nur bei der Brutalität und Gewalt, welche Menschen auf dem Weg zu europäischen Grenzen erleiden müssen, denn wenn die Überquerung der europäischen Grenzen gelingt, werden die Menschen in das Migrationssystem aufgenommen, wodurch sie ihre Menschenrechte weitergehend verlieren.


So verloren sie den Schutz personenbezogener Daten, die von diesem Moment an für die gesamte FRONTEX frei zugänglich sind (gemäß Dublin Regulation), sie werden durch die Eingabe ihrer Fingerabdrücke digital verfolgt und können abgeschoben werden. Die Menschen sind gezwungen ihren Asylantrag in ein digitales System in Flüchtlingslagern einzugeben, in denen Internetzugang fast unmöglich ist. Viele Asylanträge werden von Systemen der künstlichen Intelligenz abgelehnt, da mögliche Straftaten „vorhergesagt“ wurden. 


Nach der Einreise sind die Menschen mit jeglichen Formen von Diskriminierung und Entfremdung konfrontiert, wodurch es ihnen grundlegend schwer gemacht wird, die 1948 erklärten Grundrechte wahrzunehmen. Der Einsatz von Kontrolltechnologien, wie beispielsweise die kürzlich in Deutschland eingeführte Bezahlkarte, ist nur ein Punkt auf einer langen Liste der „neuen Technologien“, welche die Menschenrechte von Geflüchteten und Asylbewerber*Innen verletzen.



Warum sagen wir Nein zur Bezahlkarte?

Die Einführung der Bezahlkarte, als Zahlungssystem ist ein weiterer Punkt auf einer langen Liste von Technologien, die versuchen, Flüchtlinge und Asylsuchende zu kontrollieren. Es ist ein digitales Zahlungssystem mit Einschränkungen, wodurch Diskriminierung, Isolation und der Rassismus, unter dem geflüchtete Menschen täglich leiden, nur noch extrem verstärkt wird. 


Es handelt sich um ein System, das die Verwendung von Geld innerhalb von Deutschland kontrolliert, da durch die Bezahlkarte Zahlungen oder Überweisungen ins Ausland nicht mehr möglich sind, Betroffene können nirgendwo mehr einkaufen und in Notsituationen keinen Anwalt, Arzt oder Sozialverein bezahlen. 


Durch die Bezahlkarte kann außerdem eine schnelle Rückverfolgung gesuchter Personen durchgeführt werden, so dass diese im Falle einer Ausweisungsverfügung leicht ausfindig gemacht werden können.


Pro-Asyl hat kürzlich (09.10.2024) einen Katalog mit Problemen rund um die Bezahlbare veröffentlicht:


  • Die 50-Euro-Flatrat ist illegal

  • Keine Möglichkeit vor Ort mit Karte zu bezahlen 

  • Unzulässige Gebühren und kein Geld für ein Konto 

  • Regionale Einschränkungen 

  • Technische Probleme bei der Umstellung 

  • Technische Fehler bei Kartenzahlung 

  • Keine Verträge, leine Abbuchungen, keine Online-Käufe 

  • Keine Rückgabe gekaufter Waren möglich 

  • Ausfall von Lastschriften 

  • Begrenzte und kontrollierte Einzelüberweisungen oder Lastschriften

  • Verstöße gegen den Datenschutz 

  • Fehlende Digitalisierung 


Bezahlkarte, Datenschutz und KI 

Im Gegensatz zu Bargeld lässt sich mit einer persönlichen Bezahlkarte jederzeit nachverfolgen, wo und was gekauft wurde. Darüber hinaus stellt Bezahlkarte ein Sicherheitsrisiko für Betroffene dar, denn sie weisen laut IT-Spezialisten erhebliche Sicherheitslücken auf, die zum Hacken der Karten genutzt werden können. Auch lassen sich auf den Karten Apps mit Treckern installieren, die ohne die Zustimmung des Nutzers Daten für Persönlichkeitsprofile an Google, Facebook oder Dritte übermitteln. (Berliner Zeitung, 24. Juli 2024)


Datenschützer haben erhebliche Bedenken gegen die geplante Ausgestaltung der Bezahlkarte. Insbesondere die sogenannte „Whitelist", eine zentrale Säule des in Hamburg getesteten Modell, bringt rechtliche Bedenken mit sich. Die „Whitelist“ siebt eine Sammlung von Zahlungsempfänger*Innen durch die Sozialbehörde vor, die berechtigt sind, Geldtransfer zu erhalten. In dieser Liste sollen Zahlungsempfänger, die als „unproblematisch“ gelten, aufgenommen werden. Zu solchen „unproblematischen“ Zahlungsempfängern gehören beispielsweise Arztpraxen, Anwaltskanzleien oder öffentliche Verkehrsbetriebe. 


Aktiviert die Sozialbehörde auf Wunsch eines einzelnen Karteninhabers eine IBAN, muss dieser seine persönlichen teilweise sensiblen und Geschützen Daten gegenüber den Behörden und/oder Sozialarbeitern offenlegen. 


Zum Beispiel Einkaufs- und Wohnorte, Leistungen für medizinische oder psychologische Behandlung oder religiöse Praktiken. Teilweise verlangen die Behörden sogar die Vorlage von Rechnungen. Aus Sicht der brandenburgerischen Landesbeauftragten für Datenschutz (Dagmar Hartge) wirft ein solches „Whitelist“-Verfahren erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken auf. Hartge geht davon aus, dass dabei Namen, Verträge, Gesundheitsdaten, aber auch Namen von Kindern oder andere Daten weitergegeben werden, da diese angebliche Aufschluss über Gesundheitszustand, politische Neigungen oder weltanschauliche Überzeugung geben. Diese Information gelten als sensibel und unterliegen besonderem persönlichem Schutz. 


Die Hamburger Datenschutzbeauftragte kritisiert die Möglichkeit von Kontoeinsichten durch die Behörden und die fehlende Rechtsgrundlage für die Weitergabe der Nutzung der AZR-Nummer (Ausländerzentraleregister) der Betroffenen. Auch die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder hat erklärt, dass die Weitergabe der AZR-Nummer an nichtstaatliche Stellen rechtswidrig sei. Dies geschehe jedoch regelmäßig, wenn das private Unternehmen, welches die Bezahlkrate betreibt, Zugriff auf die Nummer erhält.


Für Kritiker der Bezahlkrate und für Geflüchtete ist die Bestellung der Datenschutzbeauftragten ein weiteres Argument gegen die Bezahlkarte. „Eine mögliche Bezahlkarte muss den Grundrechten und Datenschutzvorgaben des Landes Berlin, des Bundes und der EU-Gesetzgebung entsprechen“, sagte Orkan Özdemir, integrationspolitischer Sprecher der Berliner SPD. Es sei „dringend erforderlich, die Einschätzungen des Berliner Datenschutzbeauftragten einzuholen.“ (Pro-Asyl, 9. Oktober 2024, berliner morgenpost, 26. Juli 2024)



Bezahlkarte in Berlin 

Während die Einführung der Bezahlkarte im Parlament ausgiebig diskutiert wurde, hat der Berliner Senat beschlossen, sie bis Ende November 2024 einzuführen. Dabei ist wichtig zu sagen, dass die deutschen Bundesländer nicht verpflichtet sind, das Bezahlsystem einzuführen. 


Durch Haushaltskürzungen für Kultur und Soziales hat sich eine beträchtliche Anzahl an Organisationen mobilisiert und ist gemeinsam auf die Straße gegangen, um gegen die Kürzungsmaßnahmen zu protestieren. Wir haben jedoch alle miterleben können, wie der Berliner Senat trotz der hohen Kosten für die Einführung der Bezahlkarte in Berlin und der zeitgleichen Protesten gegen die Haushaltskürzungen, das Bezahlsystem trotzdem einzuführen.


Obwohl es diverse Gegenstimmen gibt, soll die Bezahlkarte bis 2025 umgesetzt werden, Das ist ein enormer Rückschritt für den Schutz der Menschenrechte. Es ist ein großer Rückschritt für einige der sensibelsten Menschen, die es verdienen, fair und vor allem menschlich behandelt zu werden. 


Wir befinden uns in einer Krise, die Menschenrechte in Frage stellt. 

Wir fragen uns, wir sind besorgt, weil wir wissen, dass die Menschenrechte nicht mehr in den Händen von Menschen, sondern von digitalen Systemen ohne Menschlichkeit liegen.



Hinweise:

Molnar, Petra (2024): "The walls have eyes. Surviving migration in the age of artificial intelligence". The new Press, New York.



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